Philipps Neuseelandblog

Gisborne und die Kettensägen-Oma

Ich machte mich am Dienstag, 11. März, auf den Weg nach Gisborne. Ich hatte recht viel Glück und habe innerhalb von 5 Stunden einen Wwoof-Platz (zur Erinnerung: Willing Workers on organic Farms – 4 h Arbeit für Kost und Logis) dort bekommen (Am Sonntag abgesprochen und am Montag organisiert). Ich benutzte den InterCity-Reisebus, neben Nakedbus einer der zwei Reisebusunternehmen. In Neuseeland gibt es ja keinen öffentlichen Nahverkehr und keine Züge, aber Fernbusse.
Und so kam ich dann am Busbahnhof mit meinem 75l-Rucksack, meinem Daypack, meiner Gitarre und meiner Lebensmitteltasche an. Zum Glück hatte mir ein Engländer aus dem Hostel geholfen, das Ding war echt schwer. Am frühen Mittag ging der Bus… Und ich muss sagen, es ist eine sehr angenehme Art zu reisen. Während der Fahrt kann man die Landschaft genießen und muss sich nicht um die Straße kümmern, kann sogar lesen, Blog schreiben und so.

Gisborne

Mein Wwoof-Host, den ich mir organisiert hatte, war eine Frau namens Angela. Sie holte mich von der Busstation in einem Van ab. Sie war erstaunlich alt mit weißem Haar wie ein Igel. Zusammen holten wir noch einen weiteren Wwoofer ab – Sam (Samuel) aus Argentinien. Während ich Sam als guten Kerl einschätzte, fiel es mir bei Angela unglaublich schwer. Aber bei mir hängt sowieso viel von der Unterkunft ab – eine Küche oder ein Bad kann mehr über eine Person aussagen als Tausend Worte.
So kamen wir dann auf Angelas Hof, ein weißes Haus mit grünen Dach und roten Veranda-Planken, sehr schön anzusehen in dem Park-ähnlichen, grünem Garten. Direkt daneben zwei rote Schuppen, neben denen uralte, verrostete Trucks und Berge Holz herumlagen. Das Haus von 1898 (angeblich) erinnert an ein Sommerhaus aus den Südstaaten Amerikas: Eine Treppe führt auf die Veranda, auf der zwei in den Garten schauende Bänke standen, die große, zwei-flüglige Tür führt in den Flur – rechts ein Wohnzimmer, gerade aus die Küche. Die zweite Tür rechts entpuppte sich als mein Schlafzimmer. Ich schlief in einem Doppelbett, das in einem an Empire-Jugendstil erinnernden Raum mit Kamin positioniert war. Es war zwar nicht perfekt in Schuss (ich nenne nur an die abblätternde Tapete und den totem Fliegen auf der Fensterbank) und man konnte auch sicherlich nicht vom Boden essen, aber den Anspruch hatte ich ja gar nicht. Das war also schonmal gesichert.
Am ernsten Abend in diesem Haus auf Angelas Farm 20km von Gisborne entfernt habe ich mit Angela und Sam gekocht. Angela ist eine opportunistische Köchin, die gerne einfach vieles zusammen mixt. Und so kommen auch sehr leckere Sachen zustande. Angela erzählte, dass auch noch drei andere Deutsche da seien, doch “die verkriechen sich immer auf ihr Zimmer. Schlafen den ganzen Tag, glaube ich. Schlafen alle Deutschen so viel?”

Die Kettensägen-Oma

Angela ist ein ganz besonderer Charakter. Sie ist siebzig Jahre alt und unterhält zusammen mit Emma, ihrer Tochter, die Farm. Ihre Fitness ist erstaunlich: Sie schwingt munter ihre geliebte Kettensäge, klettert auf ihrem Lastwagen herum, rast mit ihrem Geländewagen durch die Botanik, isst Äpfel mit Würmern, schleppt Holz durch die Gegend, ist ständig in Bewegung und geschäftig, backt jeden Tag frisches Brot und kann hoch interessante Geschichten erzählen.
De drei deutschen sind zu 66% Prozent mein Alter: Julia und Marie; der Freund letzterer, Patrick (oder Paddy) ist vier Jahre älter. Zu fünft sollten wir also Angela auf der unglaublich großen Farm helfen.
Um acht Uhr fingen wir jeden Tag an: Holz auf und vom Lastwagen laden, Puketea-Holz entrinden, Wege mit dem Spaten wieder tauglich machen, Horopeto pflücken, Kawakawa pflücken und bearbeiten, alte Baumstämme auf die Farm interne Halde bringen, Feuer machen und so weiter. Sie hat uns stets eher leichte Aufgaben verpasst und auch – abgesehen vom Holz – stets auf Abwechslung wert gelegt. Mit den anderen habe ich mich sehr gut verstanden. Sam ist ein lieber Kerl, der gerne lacht, die Tiere liebt und immer fleißig und hilfsbereit ist. Julia ist etwas verträumt (und manchmal verplant), Marie ist ein Panda liebender Story-Teller und Patrick ein sehr Kopf gesteuerter Kekse-Vertilger.
Nach einer Woche kam auch noch Josef dazu… Ebenfalls deutsch. Er schlief in dem gleichen Raum wie ich (auf drei gestapelten Matratzen) und ist ein ganz Ruhiger. Er wurde in der Abizeitung zu 100% zum Jesus gewählt. Nichts könne sein Gemüt erhitzen, hat man den Eindruck.

In den zwei Wochen habe ich mich sehr wohlgefühlt – mir gefiel alles. Morgens ein bisschen arbeiten, den Rest des Tages zusammen chillen oder etwas unternhemen. Einmal waren alle zusammen (außer Sam, der uns am Sonntag verließ) am Meer und habe sehr viel Spaß in den riesigen Wellen im Meer gehabt. Mal haben wir Monopoly gespielt oder haben eine Erkundungstour über die Farm gemacht. Das Grundstück ist eine Hügellandschaft. Man kann sich schwer vorstellen, wie man hie farmen will, doch für die Kiwis ist das mit ihren Quads kein Problem. Ich durfte auch mal mit den Quads durch die Gegend fahren: die Schafe, Kühe, Truthähne, Ziegen besuchen.

Es ist eine richtige Frauen-Farm. Neben Angela und der Angestellten Lynn arbeitet Angies Tochter Emma auf der Farm. Sie macht dies und das und schwingt enthusiastische Reden gegen Premierminister John Key, der mit seinen Öl-Veträgen das Land gefährdet.

All das musste ich nach den zwei Wochen wieder zurücklassen: das war ganz schön schade. Ich habe viel erlebt und wieder gelernt. Ich habe nochmal etwas ganz anderes kennengelernt – das neuseeländische Farmleben. Mit seiner natürlichen Schönheit und all seinem Dreck, den Tieren. Der Hund Io (der jede Frau im Haus bis ins Exorbitante entzückt hat), der dicke Kater Darjeeling (der nur ein Miauen aufwenden muss, um Io in die Flucht zu schlagen), Kater Gary, Katze Pesto, die Ratte in dem Mauseloch in der Küche (wir zu den Haustieren gezählt), Schafe, Fliegen und Possums (die sich manchmal Zugang zum Haus verschaffen) – alle sie gehörten dazu. Ich könnte so viele Geschichten erzählen, Anekdoten wie Ernste, aber dafür ist nicht die Zeit.

Momentan bin ich auch schon wieder auf der Weiterreise. Denn es ist mein Vor-vor letzter Tag! Ich fahre mit dem Bus von Gisborne nach Auckland. Dort werde ich nochmal im YHA übernachten und ein paar Dinge erledigen, bevor ich nach Dubai fliege.
Ich bin natürlich traurig, dass ich hier wegmuss, aber ich freue mich auch auf mein Zuhause. Ich könnte wirklich noch ein bisschen Weiterreisen… Das Ausruhen bei Angie hat gutgetan!

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