Es ist wieder viel passiert. Ich habe mich vorgestern, am Sonntag von Pauline mit ihrem Sohn Reece verabschiedet – herzlich, denn ich habe die Familie ins Herz geschlossen. Reece gab mir noch ein paar Tips, wie ich die Zeit in Omapere (sprich es oMApiri aus) und Umgebung verbringen könnte. Deshalb bog ich irgendwann von der Hauptstraße ab, wie Reece gesagt hatte. Und nach kurzer Zeit befand ich mich auf einer Schotterstrecke! Nicht schon wieder, dachte ich. Nach sechs Kilometern wirklich sehr schöner Natur kam ich zum angepriesenen Wasserfall, ganz nett, pillert aber nur ein bisschen Wasser, nicht spektakulär. Nebenan sei, so Reece, ein cooler Puzzleshop, wo ich doch mal reinschauen sollte.
Direkt nach Eintreten läuft man einem Hünen mit langem Bart und langen weißen Haaren entgegen. Das ist der Puzzlemacher. Puzzle meint in diesem Fall diese kleinen Knobelspiele, wo man beispielsweise zwei verschränkte Haken auseinander friemeln muss. Einige Puzzle hat er selber designt, andere sind Handelsware. Seine kleine Hütte ist voll davon, nebst kleiner anderen Nettigkeiten. So habe ich auch schon mein erstes Mitbringsel erworben… Einen Kochlöffel. Aus Kauriholz! Selbstgemacht von seinem Sohn.
Nach einigen Minuten Fahrt befand ich mich in Omapere, wo ich Handseife kaufen wollte und enen Tee trinken, es war so halb fünf. Im Supermarkt gibt es das nicht? Cafes haben schon zu, am Sonntag? Die nächste Bank ist fünfzig Kilometer entfernt? Unglaublich, aber war. Omapere ist ein schreckliches Dorf, bietet aber atemberaubende Blicke. Ich habe mich schnell vom Acker gemacht, ich wollte ja noch den größten Kauri-Baum Neuseelands (der Welt?) ansehen.
Der ist wirklich riesig. Unglaublich riesig, gigantisch. So etwas habe ich noch nicht gesehen. Sein Name ist Tane Mahuta, 2000 Jahre jung, Umfang 13 Meter, 50 Meter hoch. Man muss ihn gesehen haben, auf den Fotos, kann man die Größe schlecht wahrnehmen.
Als ich mir den Baum angeschaut hatte, geriet ich ins Schleudern. Wo musste ich nochmal hin, um Kiwis zusehen? Wo sollte ich auf dem Parkplatz übernachten, nachts in den Wald gehen? Auf der Karte, die Stefan Balmann mir gab, sind mehrere Plätze eingezeichnet. Ich entschied mich für den Trounson Kauri Park. Richtige Entscheidung!
Doch dafür musste ich mich beeilen, die Sonne neigte sich schon dem Horizont entgegen, ich musste schnell sein. Und so raste ich die kurvigste Strecke, die ich je gefahren bin, – sie führt durch den Waipua Kauri-Wald – Richtung Trounson Park… Und befand mich auf einer Schotterstrecke! Dann noch unter Zeitdruck! Kann es denn wahr sein, das jede Straße abseits des Highways in Schotter endet? Kein Wunder, dass die Kiwis nur so gammelige Autos fahren, ein Mercedes lohnt sich da nicht.
Die Sonne wurde immer goldener, ich immer hungriger. Irgendwann hielt ich einfach an und machte mir Essen (den Nudelauflauf von gestern) warm. Das hat gut getan! Gestärkt sah ich die ganze Sache gar nicht mehr so verkniffen und fuhr weiter und kam nach kurzem Weg an. Ich fuhr auf den leeren Parkplatz und ging erstmal in den Wald. Auch das war eine sehr inspirierende Erfahrung für mich. Ich bin umringt von riesigen Kauri-Bäumen, während die Vögel die abstrusesten Geräusche von sich geben. Wahnsinn! Die Bäume, die in einem Wald mit allerlei anderer Pflanzen stehen, sind nicht besonders hoch, aber dick! Zwischen einem und drei Meter Durchmesser.
Vielleicht sollte ich noch etwas zu den Kauri-Bäumen sagen. Früher war der Norden Neuseelands dicht von Kauris bewaldet, sie sind sehr wichtig für die Maori-Mythologie. Dann kamen die guten, alten europäischen Siedler und haben sie gnadenlos abgeholzt für Schiffe, Häuser, Stützbalken in Stollen, Inneneinrichtung und so weiter. Es wurden sogar Bäume abgeholzt, die viel größer waren als der Tane Mahuta. Heute sind sie eines der Nationalsymbole Neuseelands und stehen unter strengsten Schutz. Im Kauri-Wald geht man auf Holzrampen, damit man das Wurzelwerk der Kauris nicht zerstört. Einen Kauri zu fällen ist heute undenkbar (Trotzdem kann man Produkte aus diesem Holz kaufen. Es werden Tausende Kauris aus Sümpfen geborgen, wo sie gut konserviert wurden und so weiterverarbeitet werden können.)
Derart beeindruckt fand ich mich auf dem Parkplatz wieder und blicke auf das Schild “Campen verboten”, was auch im Auto schlafen einbezieht. Das hätte mir nicht viel ausgemacht, wenn nicht um die Ecke ein DOC Campground gewesen wäre. Angesichts dieser Tatsache und der drohenden Strafe von 200$, fuhr ich weiter zum Campground, der einen eigenen Zugang zum Wald hat.
Es ist zwar nicht ganz so aufregend, aber komfortabler – ich war zusammen mit einem halben Dutzend Campervans und -wagen auf einer Wiese mit Parkplatz direkt am Wald.
Ich stellte mir den Wecker und schaute noch “Soundfiles im Konzertsaal” auf meinem IPad an und schlief ein, es war schön mild draußen. Um ein Uhr schlüpfte ich dann in meine Sachen und stapfte Richtung Wald – Kiwis sehen! Kiwis sind nachtaktiv, man muss seine Taschenlampe dimmen, um sie nicht zu verjagen (ich tat es mit einer Socke). Die ersten Paar Meter im Wald waren ganz komisch. Stille, heller Mond, en Wald, der plötzlich ganz anders aussieht, von meiner Taschenlampe bläulich beleuchtet. Ich weiß, dass ich ganz alleine bin. Ein Rascheln hoch oben in den Bäumen, ein Vogel scheint aufgewacht und deckt den ganzen Wald mit lauten Schreien ein. So alleine bin ich dann wohl doch nicht…
Ich leuchte ins Gebüsch, immer wieder bleibe ich stehen, mache meine Lampe aus und horche. Den Kiwi soll man durch ein Knacken im Unterholz hören können. Nichts, außer, dass ich mich in den Momenten, in denen die Taschenlampe aus ist, nochmal seltsamer fühle. Plötzlich! Ein Krachen durchs Unterholz, eindeutig ein Zweibeiner, Patsch Patsch. Ich schrecke zurück. Ein Mensch? Im Gebüsch? Ich leuchte zwischen die Farne hindurch, sehe niemanden. Was kann das sein? Hier leben eigentlich nur Vögel – Possums oder Wiesel können es nicht sein, die sind leise. Welcher Vogel geht am Boden? Das muss der Kiwi sein! Ich horche. Der Kiwi läuft offensichtlich hin und her – und macht so viel Krach, wie ich es mit meinen Sicherheitsschuhen gemacht hätte. Patsch Patsch. Ich höre, wie er sich schüttelt, plustert und fiepst. Und weiter tapst. Er entfernt sich, ich komme nicht mehr näher ran. Währenddessen habe ich ständig ins Gebüsch geleuchtet, doch nie etwas gesehen. Doch ich sage mir: Das ist sowieso eine Gesellschaft, die nur auf das visuelle konzentriert ist. Wieso soll es besser sein, einen Kiwi zu sehen als zu hören?
Derart befriedigt schleiche ich mich aus dem Wald (und zwar viel leiser als der Kiwi es getan hat!) und schlafe schließlich weiter, nicht ohne Stolz. Ich, alleine im Wald! Der ich doch so Respekt vor der Dunkelheit habe!
Am Morgen wurde ich wach, weil meine Beine kalt waren. Während die Nacht wunderbar mild war, zog es jetzt, um sechs Uhr, richtig an. Eine feuchte Kälte wickelte sich um meine Beine, grauenhaft. Auch das überstand ich.
Gegen Mittag befand ich mich schon auf dem Weg nach Dargaville, was auf dem Weg nach Whangarei liegt. Dargaville sieht aus wie in den Filmen, wo jemand in Texas ausgesetzt wird. Ein sehr unsympathisches Städtchen, dagegen mag ich Whangarei richtig gerne. Ich besuchte einen Musikladen, weil ich ja in Kohukohu beschlossen hatte, eine Gitarre zu kaufen. Doch in dem gesamten Laden befindet sich nur eine einzige Konzertgitarre, die billigste, die überhaupt geht. Sonst drei Westerngitarren, drei Ukulelen. Trauriges Bild. Westerngitarren seien beliebter. Lehrer gebe es in Northland (!) nur zwei oder drei.
Zwei Stunden später verlasse ich “Wards”, den music shop in Whangarei, mit einer Yamaha C 40, ich war auf Anhieb zufrieden, gerade für den Preis. So etwas hatte ich gesucht. Danach kehrte ich wieder in der Little Earth Lodge ein, John und allen Hallo zu sagen. Doch die große Überraschung: John hat die Little Earth verkauft und zieht mit seiner Familie nach Nelson! Zum Glück ist er noch da, ich erzähle ihm meine Geschichte. Er sagt, ich könne ihn in Nelson mal besuchen kommen – jetzt habe ich schon zwei, die ich besuchen kann, John und die Familie, die ich auf Rangitoto traf.
Dann hörte ich noch eine unglaubliche Geschichte. In der LEL, wo ich jetzt also untergebracht war, hielten sich drei Mädchen auf, die sich beim Wwoofen kennengelernt hatten. Meiner Meinung hatte das nichts mehr mit “Learning the organic way” zu tun. Die drei mussten den ganzen Tag das Geschirr der Arbeiter der Farm spülen. Das für eine Unterbringung in einem Dorm mit Kakerlakenbesuch. Ich hätte das keine drei Wochen gemacht! Die drei – Lena, Stephanie und Larissa, genannt Lizzy – wollten auch nach Auckland, wobei erstere mit dem Bus fuhren. Lizzy fragte, um sie mit mir kommen konnte. Am nächsten Tag jedoch verlief sich das, da sie einen kleinen Babysitterjob in der Gegend ergattern konnte. Während die zwei anderen Mädels frisch aus der Schule kommen, hat sie gerade ihren Bachelor Degree in Biologie abgeschlossen. Zufällig ist sie auch über Travelworks hier, allerdings schon seit sieben Wochen. Den ersten Travelworker, den ich außerhalb von Auckland getroffen habe.
Jetzt sitze ich in Auckland und habe Papierkram abgeschlossen. Ich habe mein Ladegerät für die Kamera, ich habe endlich die Mautgebühr bezahlt, für die schon eine kleine Strafe fällig war. Morgen fahre ich nach Coromandel und werde mir die Halbinsel angucken. Ich möchte so schnell wie möglich hier weg. Das Hostel ist irgendwie blöd, Autofahren ist wirklich schwer hier. Ich habe intuitiv viel richtig gemacht, aber es ist schwierig. Da muss man schon mit allen Wassern gewaschen sein!
Bezüglich Jobs ist noch etwas zu berichten. Am Sonntag morgen, es war gerade einmal halb neun, klingelt mein Handy. Der Typ, der den Job als Eiscrememacher anbietet, fragt, ob ich um zehn anfangen könne. Nein, ich war da noch in Kohukohu. Dann war der Job weg. Ich habe dafür die Chance auf einen Wwofingplatz in Murupara, Bay of Plenty und Jescoms hat mir einen Arbeitsvertrag geschickt. Ich bin sehr glücklich, ein Job, den ich per Heimarbeit erledigen kann, Teilzeit 10 h, 500 Dollar die Woche. Ich muss im Wesentlichen Daten in den Computer eintragen. Aber die Tinte ist noch nicht trocken!
(Werde demnächst Bilder hochladen)