Philipps Neuseelandblog

Neuankömmlinge

Heute war ein Tag mit Wendungen. Heute sollten nämlich die neuen Wwoofer kommen, von denen Christine ein vorgefertigtes Bild hatte. Doch ich denke, am Ende waren alle beteiligten von einander positiv überrascht.

Der Tag begann recht früh, ich wollte vor der Arbeit nochmal in die Library, um das freie WLAN zu benutzen. Gearbeitet habe ich danach an einem Stück Wand über dem Dach, ich war also mal wieder sowohl Wwoofer als auch Roofer.
Dann habe ich eine gute, alte Bosch Bohrmaschine benutzt, um was am Boden zu fixieren und habe gelernt, dass es auch andere Spannmethoden für den Bohrer als den Schnellspanner gibt.
Am Abend kamen dann die erwarteten Neuankömmlinge. Christine war muffelig, aber gemäß der berühmten neuseeländischen Gastfreundschaft wurden gleich die Flaggschiffe zum Abendbrot aufgefahren: Oliven, Rehwürste, selbst gemachtes Brot und so weiter. Zwar waren die Neuankömmlinge, Michael (deutsch) und Marion (französisch) recht höflich, doch bemusterte Christine die beiden misstrauisch, als sie sich ganz nach europäischer Gourmet-Manier ordentliche Scheiben Käse aufs Brot legten (sie spart und legt nur ein paar Splitter drauf).
Christine erzählte von meinem Auftritt im Radio, wonach Michael fragte, was ich denn gespielt hätte. Das Prélude Nr. 1 von Lobos. Und zur Überraschung Christines und meinerseits erreichten folgende Vibrationen der Lüfte, abstrahiert in Worten, geformt zu Gedanken, sofort in unseren Köpfen auf ihre Bedeutung analysiert, unsere Ohren: “Oh, das habe ich auch mal gespielt.”
Es stellt sich heraus, das Michael mit seiner Gitarre hier angekommen ist und schon seit 13 Jahren Gitarre spielt, er ist mein Alter (sieht meiner Meinung nach aber Älter aus).
Zuhause haben wir erstmal Gitarren-Check gemacht. Er hat etwas von seinen Stücken gespielt, ich von meinem. Natürlich war zu erwarten, dass wir nicht exakt das selbe Niveau haben. Ich würde schätzen, er ist so auf Janinas Niveau einzustufen, vielleicht ein bisschen niedrieger (mit Janina und Tanyel spielte ich einst im sog. “Kotz-Trio” in vielen legendären Proben Albéniz’ Tango). Er spielt sehr viele Südamerikanische Stücke, Fingerpicking, Bossa Nova et cetera, ist so gesehen also eine ganz gute Ergänzung zu meinem klassisch-romantischen Repertoire.

Ich glaube, das war Schicksal.

Wir haben auch schon ein erstes Projekt: “Sunrise”, ein kleines Duettchen im Fingerpicking-Stil, aber ganz nett. Als wir da so zusammen spielten, wurde Christine aufgeschreckt. Es schien sie inspiriert zu haben, denn sie sagte: “Well, you know, I’m good in organizing.”
Doch um zu verstehen, was Christine nun sagt, muss man ihre Geschichte kennen.

Christine kommt aus dem King Country, wo sie aufwuchs. Nach der Schule machte sie eine Ausbildung zur Krankenschwester, doch stellte irgendwann fest, dass dieser Beruf mit ihren beiden kleinen Kindern sehr unpraktisch ist. Sie studierte Soziologie (ist das weniger stressig?) und schrieb ihre Abschlussarbeit über Marx, der ihr “lernte, Kapitalist zu sein.” Denn sie sah ihres Juristen-Mannes Bruder, ein Business Man und dachte, das könne sie tausendmal besser. Und so wurde aus der Soziologin und Marx-Expertin eine Brokerin. Sie machte sehr, sehr viel Geld. Die Familie zog nach Sydney, der teuersten Stadt der Welt, und bezogen eine Luxuswohnung direkt am Stadtpark.
In dieser Zeit knüpfte sie viele Kontakte, zu einem Großmeister im Schach zum Beispiel. Ihren Kindern schenkte sie gerne ein Musikstück, Kompositionsaufträge an namhafte Komponisten wie Gareth Farr (um eine Vorstellung zu geben: Der Mindestlohn nach dem deutschen Komponistenbund schreibt einen Mindestlohn von mindestens 300 Euro pro Minute vor).

Nun zu ihren Ideen: Es ist bereits ausgemachte Sache, dass Michael und ich am Freitag ein Konzert bestreiten werden, wieder im Café. Sie möchte Gareth Farr einladen, der Percussionist könnte vielleicht einen Workshop halten und vielleicht mehr klassische Gitarristen z.B. aus Auckland bewegen, nach Murupara zu kommen. Dann möchte sie organisieren, dass Maori eine Rolle im Konzert spielen (damit es sich besser verkauft), beispielsweise in der Präsentation von Schöpfungsmythen.
… Und noch viel mehr Ideen! Die sonst so gefrustete Christine lebt auf…

Ich bin wirklich gespannt, was passieren wird, was klappt, was nicht. Groß Pläne. Aber sollte man diesen Zufall nicht auszunutzen?

Eine Frage bleibt noch offen, warum ist Christine im Café gelandet? Ganz verstanden habe ich es nicht, aber es hat mit ihrer Scheidung zu tun, worüber ich hier nicht schreiben möchte, schließlich kann das ja jeder lesen.

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