Philipps Neuseelandblog

Das Konzert ohne Besucher

Um die nächsten Tage zu verstehen, sollte man wissen, dass Christines Gedanken oft so gehen:

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Und das ist irgendwie etwas, womit ich manchmal schwer umgehen kann, ihr werdet noch lesen, wie alles war…

Ich habe bei Christines großen Plänen aufgehört – einige davon wurden verwirklicht, einige nicht.
Christine kennt einen Geigen- und Gitarrenbauer. Er hat mit Gitarre angefangen, hat mit Geige weitergemacht und verkauft jetzt auch nebenher Gitarren (anscheinend nicht seine eigenen). Christine hat mit Phil Whitehead Kontakt aufgenommen und wollte wissen ob er gute Gitarren hat. Die beste, die er momentan da hätte, sei eine brasilianische, handgemachte, aus den Siebzigern, sehr gut. Das war letzte Woche schon. Ich habe ihr damals schon klar zu machen versucht, dass es mit Gitarren anders ist als mit Geigen, dass man auch ganz schlechte Gitarren erwischen kann, die “topfig” (das ist der Fachbegriff) klingen oder eine schlechte e’ Saite erwischen kann. Und sowieso habe ich ja eine Gute zu hause. Aber diese Gitarre ist anscheinend zu Christines fixen Idee geworden. Also skypten wir an diesem Morgen mit dem Herrn Whitehead, und er hat uns dort auf der Gitarre vorgespielt, was natürlich nichts sagt. Christine fragte uns, ob die Gitarre gut sei, worauf ich nur antworten konnte, dass ich sie nicht kaufen könnte, höchstens leihen.
Eine Stunde später offenbarte sie mir, sie hätte die Gitarre zum ausleihen bestellt. Dafür hat sie 1100 Dollar Pfand bezahlt und sogar die Kurierkosten bezahlt. Ich war aber irgendwie total unglücklich, obgleich sie mir einen freundlichen Dienst getan hat. Was sollte ich denn mit einer zweiten Gitarre? Was ist, wenn ich sie kaputt mache? Diese und noch so viele weitere Fragen.
Der Tag insgesamt war nicht so toll. Michael und ich haben uns zusammengesetzt, um für das freitägige Konzert zu üben, es war aber nicht leicht, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen, angesichts der geringen Übezeit und der eher geringen Literaturkenntnis Michaels (gut, er hat schon sehr, sehr viele Stücke gespielt, aber nicht viel anderes gesehen und gehört, habe ich das Gefühl). So ganz weitergekommen sind wir nicht. Christine war auch keine Hilfe. Sie kennt einen vom größten neuseeländischen Verlag, der ihr eine Komponisten empfohlen hat. Aber das kostet ja Geld, dort zu bestellen, und würde niemals am Freitag ankommen! Ich weiß nicht, was sie sich dabei gedacht hat, da so viel herumzutelefonieren.
Es war ein sehr geschäftiger Tag für sie. Die Rocker Neuseelands (einige aus Australien!) hatten einen Memorial Drive anlässlich des Todes eines Kumpanen und frequentierten das Café für Kaffee (ich glaube, einigen wäre Irish Coffee lieber). Dann waren auch noch Freunde da. Christine war die ganze Zeit sehr müde und “grumpy”, auf Fragen antwortete sie ruppig und rügte uns für Untätigkeit (obwohl sie da auch nicht richtig guckt – wir haben ja etwas gemacht, aber Pausen oder gemütlich Lunch wird man wohl machen dürfen – das ist sowieso schwer, kaum ist der Teller leer, wird er weggenommen und gespült). Das hatte zur Folge, das ich auch “grumpy” wurde. Und einen großen Teil der Schuld tragen Christines wirre Gedanken. Am Ende des Tages war keiner richtig zufrieden, obwohl 400 Dollar eingenommen wurden (normalerweise zwei Wocheneinkommen).

Der Freitag war schon viel besser. Ich hatte das Gefühl, dass ich was geschafft hatte. Ich habe mit Michael einen Sichtschutz an einer Betonmauer befestigt, absolutes Neuland für jeden. Ich habe mich in die Holzverkleidung des kleinen Hauses neben dem Café reingefuchst und Ces (ein Handwerker der seine Sachen im Schuppen im selben Gebäude wie das Café lagert) hat uns vieles erklärt. Ces ist ein sehr netter Mensch und macht viele Sachen für Christine.
Nicht zuletzt kam auch die neue Gitarre. Wie gesagt: brasilianisch, 1970er, Fichte-Zypresse, kunstvolle Holzschnitzereien als Kopf. Doch der Klang ist ziemlich enttäuschend. Im Duo mit Michael hat er mich mit seiner 250€-Reisegitarre an die Wand gespielt. Die Gitarre klingt nicht topfig, aber wie in Wolldecken eingewickelt. Wahrscheinlich tue ich Whitehead einen großen Dienst, wenn ich sie richtig einspiele, sie ist lange nicht genutzt worden. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie mal richtig gut war und nur wieder eingespielt werden muss. Ansonsten muss sich jeder Gitarrenbauer in die Ecke schämen. Und dieser Whitehead, der diese Gitarre so angepriesen hat, ist entweder guter Geschäftsmann oder hat keine Ahnung.

Wir waren um 6 Uhr also nicht so gut vorbereitet, aber das macht nichts – die Ansprüche hier sind nicht so groß. Leider kam kein einziger Besucher zum Konzert, obwohl wir im Radio auftauchten. Um acht Uhr kamen dann doch noch welche zufällig vorbei und Christine konnte denen noch zehn Dollar abschwatzen und wir spielten ein bisschen für die, doch der erhoffte Ansturm war es nicht.
Ein Zuhörer mehr hatten wir dann doch: Nate, ein Kanadier, der als Wwoofer zu uns gekommen ist. Ich glaube, Christine war en bisschen enttäuscht, weil er kein gelernter “Builder” ist, sondern nur mal etwas zuhause mit seinem Vater gemacht hat (Toll, das habe ich auch). Ich kann ihn aber gut leiden. Ich glaube, das war trotzdem ein guter Tag

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