Nun möchte ich mal wieder mein Lesepublikum mit einem neuen Lebenszeichen erquicken. Dieses Zeichen kommt aus Nelson…
Ich habe im letzten Bericht schon dargelegt, dass ich nach Blenheim wollte. Ich wollte dort arbeiten. Zur Erinnerung: Ich war dort bereits für eine Nacht – auf Arbeitssuche etwa einen Monat davor – und ich fand es ganz schrecklich. Aber in Blenheim gibt es nun mal Arbeit, d.h. es ist bekannt für seine Backpacker-Jobber. Die Angepasstheit an Backpacker war einer der Gründe; ich hatte ja nur noch zwei Wochen Zeit und die Arbeitgeber müssen deshalb mit einer kurzfristigen und -zeitigen Beschäftigung von mir rechnen.
Ich war also wieder da… Und Blenheim ist immer noch eine schreckliche Stadt. Um meine Abneigung zu verdeutlichen, werde och mal etwas Präziser: Blenheim ist flach, ganz flach. Es liegt in einer weiten, gelben Graslandschaft mit Hügeln am Horizont. Durch die Innenstadt verläuft der Highway von Picton (Wellington Fähre) nach Christchurch. Dementsprechend donnernd mehrere Lastwagen pro Minute den Highway durch die Innenstadt (!) entlang, kurven durch die Dutzenden Kreisverkehre (in Blenheim gibt es keine Ampeln, nur dusselige Kreisel) und verpesten die Luft. Architektonisch hat Blenheim den Charme von Wuppertal. Das Stadtbild ist geprägt von Betonwundern und ausladenden Blechbauten.
Blenheim kontra Arbeit. Zwar ist Blenheim blöd, aber ich war wirklich willig, das mal beiseite zu schieben, um einfach mal wieder länger an einem Ort zu bleiben und mal wieder ein Plus zu erwirtschaften. Ich fand viel über den lokalen Markt heraus: Blenheim ist dank der vielen Sonnenstunden ein Eldorado für Weingüter. Das finde ich komisch… Wenn ich an Weinregionen denke, denke ich an die Mosel, an die Toskana oder Bordeaux, aber nicht an die Region Essen – oder eben Blenheim. Darüber hinaus sind andere sonnensüchtige Früchte verbreitet sowie einige Fabriken. Ich habe mir Nummern besorgt und einiges in Bewegung gesetzt – alles vergebungslos. Der Wein ist noch nicht so weit, die freien Stellen belegt. Ehrlich gesagt viel mehr der Abschied von Blenheim nicht schwer. Am Ende des Tages bevor ich Bxxxheim verließ, gab es noch eine schöne Überraschung: Auf dem DOC Campsite, wo ich war, war ein englisches Paar aus Leeds, das auf einer Fischertour waren (in Kaikoura) und einen Überfluss an Fisch hatten. So hatte ich ein luxuriöses Abendessen mit super leckeren Fisch. Zwei Abende zuvor hatte ich das selbe Erlebnis. Die Fischertouren scheinen wohl beliebt bei Engländern zu sein. Die einen kamen übrigens aus London, die anderen aus Leeds, das nördlich von London liegt. Ich habe ihnen erzählt, dass ich schon auf Leeds Castle war, aber das liegt komischerweise südlich von London. Neben Leeds Castle gibt es ein ganz witziges Heckenlabyrinth, an das ich erst ein paar Tage zuvor gedacht hatte. Manchmal ist das ja witzig.
Wie dem auch sei. Spontan wie ich bin bin ich abgehauen, nach Nelson. Ich war wieder auf einen Campingplatz, der mir 8$ mit Abstand der günstigste Campground mit Küche ist, den ich bisher gesehen habe. Nelson ist einfach klasse, ich liebe es inzwischen von ganzen Herzen. Weil hier so viel die Sonne scheint, wird es auch “sunny Nelson” genannt. Es ist grün, mit lebhafter Innenstadt. Inzwischen habe ich lebhafte Innenstädte mit vielen Geschäften lieb gewonnen – der lebendige Handel macht mich selber lebendiger. Stilvolle Cafés, Alleen und nette Architektur schmeicheln meiner Seele. Und dennoch, obwohl Nelson den Status “City” trägt, hat es ihn gar nicht verdient – von der Einwohnerzahl her. Aber wie heißt es so schön: Geistige bzw. Seelische Größe!
Wie schön wäre es, hier zu arbeiten! Ach ja. Ich habe mich auch hier bemüht. Telefoniert, Jobagenturen kontaktiert, Klinke geputzt – alles erfolglos. Hier ein Dialog mit der Rezeptionsfrau bei Hoddy’s Apfelorchard:
Frau: Hallo.
Ich: Guten Tag.
Frau: Du siehst aus, als suchest du Arbeit (zeigt auf meine Mappe mit Lebensläufen)
Ich: Richtig! Sie haben es erkannt!
Frau: Wir sind eigentlich voll, aber komm mal mit. Hier ist ein Formular, das füll mal aus.
(Ich fülle das Formular aus. Die Frau sieht meine Erfahrungen auf dem Kiwi Orchard und in der Fabrik. Sie schätzt anscheinend die Jowat-Erfahrung – Ich habe es als Kleber-Thinning verpackt… Ihr Gesicht hellt sich auf)
Frau: Morgen starten die Neuen im Packhouse. Erfahrungsgemäß geben immer einige in den ersten Tagen auf. Dann kannst du nachrücken.
Ich (erfreut): Ja, das hört sich gut an.
Frau: Wie lange bist du denn hier?
Ich (naiv): bis zum 3. März.
Frau: haha, warum sagst du das nicht gleich? Dann hätten wir uns das ganze sparen können! Für so eine kurze Zeit stellen wir keinen ein. Auf Wiedersehen.
Ich: Um Zeit zu sparen… Glauben Sie, auf anderen Orchards hätte ich eine Chance…
Frau: Nein, das kannst du vergessen. Auf Wiedersehen.
Ich: …in Napier habe ich nämlich auch nur eine so kurze Zeit gearbeitet.
Frau: Ja, am Ende der Saison, wenn es zu Engpässen kommt, dann passiert das, sonst nicht. AUF WIEDERSEHEN!
Ich (freundlich): Auf Wiedersehen.
Seit dem habe ich das abgehakt. Ich werde wohl oder übel meine restliche Zeit in Nelson und auf der Südinsel in Nelson auf diesem günstigen Campingplatz verbringen müssen… Ganz frei nach dem Brooklyn’schen Sprichwort: “If lives gives you a lemon, make lemonade” (Wenn das Leben dir Saures gibt – also eine Limone -, mach Limonade daraus). Ich mache das beste daraus! Es ist zwar echt schade, das Geld hätte ich gut gebrauchen können, aber jetzt kann ich mich wenigstens auf die Aufnahmeprüfung (Gehörbildung) vorbereiten (ich habe mich entschieden, einen Musikstudiengang anzustreben).
Wenn ich nicht so viel für Sprit blechen muss, kann das sogar kostengünstig sein. Im letzten Monat habe ich das meiste für Sprit ausgegeben. Der Campingplatz ist günstig und mit meinen zwei Töpfen kann ich eh kein teures Essen zaubern.
Gestern hat mir das Leben übrigens nochmal Saures gegeben: ich habe mir Sauerkraut in der Dose gekauft. Aber das schmeckte überhaupt nicht… Es schmeckte, als wäre Zitrone drin (oder industrielle Zitronensäure) – Richtig sauer! Vielleicht sollte man das Sprichwort ändern: If live gives you lemon, make Sauerkraut.